Playground Coffee St. Pauli: Hamburg Lockdown Tales no. 2

Die Bedeutung des Cafés in der Nähe

Playground Coffee St. Pauli bedeutet Kaffee trinken. Aber nicht irgendeinen und auch nicht bei Irgendjemandem. Grundsätzlich sind der Lieblings-Barista und das Café in der Nähe für viele von uns in Hamburg feste Größen und ein integraler Bestandteil unseres Lohas-geprägten Lebensstils. Und natürlich bevorzugen wir eine Kaffeerösterei, die ausschließlich Fair Trade Kaffee handelt und zubereitet. Aber die Qualität des Kaffees allein ist für uns nicht ausschlaggebend. Sie ist Voraussetzung, Eintrittskarte. Es geht darüber hinaus um das Café als Ort der Begegnung und den Barista, den Kaffee-Künstler und Mensch hinter der Bohne.

„Hamburg Lockdown Tales“

Dieser Beitrag im Human Posture Blog ist Teil einer Serie über die Erfahrungen, Haltung und den Umgang Hamburger Unternehmer mit der Corona-Krise 2020/2021 und den langfristigen Auswirkungen auf ihr Geschäft. 

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Iron Heart Germany: Hamburg Lockdown Tales no. 1

Coffee-Culture

Es gibt meine Ansicht nach zwei Ansätze bei der Art und Weise, wie man Coffee-Culture leben kann. Der ökonomisch-effiziente Ansatz möchte in Bezug auf Kaffee-trinken höchsten Qualitätsanspruch mit dem Gefühl vereinbaren, weder übermäßig Zeit vor Ort noch Geld zu vergeuden. Der Kaffee wird zwar beim Lieblings-Café in der Nähe gekauft, wird aber mit Vorliebe und maximal ökonomisch zu Hause oder im Büro zubereitet und genossen. Dieser Ansatz wird natürlich zur Notwendigkeit, wenn der Alltag von langen Arbeitszeiten im Büro geprägt wird, die einen regelmäßigen Besuch im Lieblings-Café vor Ort nicht zulassen.

Beim kollektiv-hedonistischen Ansatz steht das genüssliche Kaffee-trinken auf Augenhöhe mit der Freude an dem damit einher gehenden Besuch beim Barista im Café. Bei Anhängern dieses Ansatzes bedingen diese beiden Faktoren einander: Die Lust auf einen guten Kaffee legitimiert für den Besuch im Café ebenso sehr, wie der Besuch im Café den Kaffee-Konsum legitimiert. Zu Hause wird wenig bis kein Kaffee getrunken. Kamila und ich sind ausgewiesene Anhänger dieses Ansatzes und Stammkunden bei Playground Coffee St. Pauli – auch wenn wir mittlerweile nicht mehr auf dem Kiez wohnen.

Die erste Begegnung

Playground Coffe St. Pauli Skywalker Espresso Blend

Ich erinnere mich noch gut an meine erste Begegnung mit Playground Coffee St. Pauli. Wir waren mit den Kindern von unserem alten Quartier in der Otzenstraße unterwegs zum Eisessen bei Luicella’s und gingen durch die Detlev-Brehmer-Straße, als mir auf der linken Straßenseite dieses kleine, bunte Café auffiel. Was mich sofort ‚gekriegt‘ hat, war der wunderschöne und ungewöhnliche Grafikstil der Verpackungen der hauseigenen Kaffeerösterei, kombiniert mit den Namen der Kaffee-Röstungen, die tief in meinem evolutionäres (Pop-Kultur) Bewusstsein resonierten, wie Skywalker, Zima, Cortez und King Kongo. Kleiner Laden, ganz groß: Playground Coffee hatte meine Aufmerksamkeit.

Kaffee und Menschen

Endgültig überzeugt hat uns dann jenseits der Markenkommunikation die Qualität des Kaffees sowie die freundliche, kompetente und vor allen Dingen authentische Art, mit der uns nicht nur der Inhaber, Veljko und seine starke rechte Hand Matze, sondern auch die anderen Menschen vor Ort begegneten. Seitdem gehört ein Besuch bei Playground Coffee zu den regelmäßigen Routinen, die wir nicht missen möchten, und wir wertschätzen die Möglichkeit dazu umso mehr in der momentanen Phase des Corona-Lockdowns in Hamburg.

Playground Coffee St. Pauli

Gegründet wurde Playground Coffee von Veljko im Jahr 2014, von Anfang an begleitet von Matze und einem Team von 3 Mitarbeitern. Das Team ist mittlerweile auf 5 gewachsen, und was als Herzensprojekt mit einem kleinen Tresen in dem Burger-Restaurant von Freunden begann, hat sich innerhalb weniger Jahre zu einer der besten und angesagtesten Kaffeeröstereien in Europa entwickelt. Das Ziel war dabei von Anfang an, ein absolutes Qualitätsprodukt zu kreieren, das nicht nur für jeden zugänglich ist, sondern auch Spaß macht. Das sieht man nicht nur am individuellen Design der Verpackungen, sondern das schmeckt man auch.

Handverlesener Kaffee aus verschiedensten Ländern bildet den Rohstoff der hauseigenen Kaffeerösterei. Im Vordergrund steht Nachhaltigkeit. Es geht um die nachhaltige Zusammenarbeit mit Menschen, die sich in der Wertschöpfungskette aber nicht bei den Kaffee-Farmern erschöpft, sondern ebenso bei Importeuren, Zulieferern und Mitarbeiten gesucht wird. Auch als Kunde wird diese Wertschätzung spürbar. Kaffee ist hier mehr als ein Business, er ist Liebe, Leidenschaft und Herzblut. Das macht Playground Coffee St. Pauli zu meinem absoluten Lieblings-Kaffee-Spielplatz.

Der Corona-Lockdown und die besondere Herausforderung für Playground Coffee St. Pauli

Playground Coffee St. Pauli vor dem Lockdown 2020Playground Coffee St. Pauli während des Lockdowns 2021

Dort, wo eigentlich Wohnzimmer-Atmosphäre herrschte und auf Fensterbänken und in gemütlichen Sesseln gesessen werden konnte, stehen jetzt Kaffeebehälter und Kisten. Bohnen aus der hauseigenen Kaffeerösterei werden in Handarbeit verpackt und für den Versand vorbereitet. Der Verkauf von Kaffeespezialitäten, wie Flat White, Cappucino, Americano oder Filter-Kaffee erfolgt über einen durch Plexiglas abgetrennten Tapeziertisch im ehemaligen Eingang zum Café. Ich treffe mich dort mit Matze und Veljko, der mir heute das Interview gibt.

Interview mit Veljko von Playground Coffee St. Pauli

HUMAN POSTURE: Warum gibt es Playground Coffee St. Pauli noch?

Veljko: Als Unternehmer muss man in der Lage sein, sich selbst ständig neu zu erfinden. Man muss auch in der Lage sein, zurückzustecken. Gründen bedeutet verzichten, unter Umständen auch ein paar Jahre lang. Der Lockdown spitzt das ganze zu: Man muss gucken, wie man überleben kann. Was ist überflüssig? Was ist langfristig wichtig? Es ist wichtig, sich auf das zu konzentrieren, was funktioniert. Wir hatten uns zum Glück direkt zu Beginn des ersten Lockdowns gleich darauf eingestellt, dass das ganze ungefähr ein Jahr dauern wird und uns entsprechend ausgerichtet und stärker auf den Onlineshop konzentriert.

HUMAN POSTURE: Mit welcher Haltung begegnest Du den aktuellen Herausforderungen?

Veljko: Ich versuche an die Situation mit positivem Denken ranzugehen und nach vorne zu schauen mit der Frage nach dem, was wir als Nächstes machen können. Ich nutze auch die Zeit, um mir wieder mehr Skills anzueignen. Wir produzieren deutlich mehr Videos als früher, wie z.B. Heinas Anleitung für die Cortez-Maske, die jetzt auf Instagram steht. Da musste ich mich wieder mit Dingen wie Adobe Premier und Illustrator beschäftigen. Wenn man Aufgaben hat, lenkt das ab. Man muss sich beschäftigen. Ich meine: Was macht ein Astronaut im Weltall? Man muss eigene Strategien für sinnvolle Beschäftigungen entwickeln.

HUMAN POSTURE: Welche Rolle spielt dabei Vertrauen?

Veljko: Vor allen Dingen Selbstvertrauen ist wichtig! Ich sage immer wieder: „Auch das geht vorbei.“ Und wir werden stärker aus dieser Zeit herausgehen. Menschen, die schon schwere Zeiten überwunden haben, sind in der Regel resilienter und kommen momentan besser zurecht. Ich glaube, das ist auch der Grund dafür, dass viele Selbstständige trotz der finanziellen Herausforderungen momentan besser mit der Situation zurechtkommen. Für sie ist es normal, dass es einen Monat mal super läuft, den anderen Monat gar nicht.

HUMAN POSTURE: Hat der erneute Corona-Lockdown die zukünftige Ausrichtung von Playground Coffee St. Pauli verändert?

Veljko: Unsere Grundaufstellung hat sich nicht groß verändert. Wir hatten bereits vor dem ersten Lockdown den Onlineshop und auch das Togo-Geschäft über den Tresen war schon da. Aber der Fokus darauf, den Onlineshop auszubauen, hat zugenommen. Langfristig werden wir nach Möglichkeiten schauen, wie wir das Onlinegeschäft mehr automatisieren können. Auch eine Aushilfe wäre denkbar, um uns im Bereich der Onlineabwicklung zu unterstützen.

HUMAN POSTURE: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für Euch, und wie beeinflusst sie Euer Geschäft?

Veljko: Bei Nachhaltigkeit denkt man immer gleich an den Ursprung des Kaffees, aber für uns hört es da nicht auf, sondern bezieht sich auf alle Bereiche unseres Geschäfts. Uns ist der Umgang mit unseren Angestellten wichtig und gemeinsam eine Zukunft zu gestalten. Wo das möglich ist, setzen wir auf regionale Zulieferer, und auch die Art und Weise, wie wir mit unseren Kunden umgehen, hat für mich etwas mit Nachhaltigkeit zu tun. Der Fokus von Playground ist nicht Wachstum. Für uns Gründer ist das Leitbild: Uns muss es gut gehen, sonst lohnt sich das nicht.

HUMAN POSTURE: Was sind die Menschen, Dinge, Einflüsse oder Routinen, die Dich im Moment am meisten unterstützen?

Veljko: Aufgaben suchen und neues lernen hilft mir sehr. Auch nutzte ich die Zeit, um mich bei Leuten zu melden und wertschätze den Kontakt zu unseren Stammkunden. Ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist. Wir haben wirklich tolle Kunden, und es ist schön zu merken, wie wichtig ihnen unser Café ist.

HUMAN POSTURE: Gab es eine Erfahrung, die Dich, im Zusammenhang mit Deinem Geschäft, während des Lockdowns besonders bewegt hat?

Veljko: Mich berühren eigentlich alle Kunden.

HUMAN POSTURE: Was kannst Du anderen Unternehmerinnen und Unternehmern mit auf den Weg geben, die sich gerade selbst neu erfinden müssen?

Veljko: Keine Schockstarre, weiter machen! Der größte Fehler ist es, nichts zu tun, zu warten und sich auf Andere zu verlassen. Man muss die Dinge selber in die Hand nehmen und die Initiative ergreifen.


Playground Coffee St. Pauli Ressourcenliste

Website & Onlineshop: https://www.playground-coffee.com/

Instagram Account: @playgroundcoffee

Anleitung für die Cortez-Maske:

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Kai ist der Gründer von Human Posture und arbeitet als Coach, Trainer und Prozessbegleiter mit den Schwerpunkten Resilienz, Haltung und Medienkompetenz in Hamburg. Zusätzlich gibt er seit über 14 Jahren Kalaripayattu, kurz Kalari, in Klassen, Trainings und Workshops für Privatpersonen und Führungskräfte weiter. Human Posture ist für ihn die lebendige Synthese seines bisherigen Lebenswegs als ehemaliger Marketing- und PR-Director in Festanstellung einerseits, und freiberuflichem Kalari-Lehrer, Webdesigner, Zen-Practitioner und fünffachem Vater auf der anderen Seite.