Iron Heart Germany: Hamburg Lockdown Tales no. 1

Die Geschichte von Iron Heart 

Schwer. Hart. Das sind wahrscheinlich die ersten zwei Begriffe, die einem in den Kopf kommen, wenn man eine ungetragene 21 oder sogar 25 oz. Jeans der japanischen Firma Iron Heart in der Hand hat. Gegründet wurde Iron Heart 2003 von Shinichi Harakiri, der vorher bereits 20 Jahre in der japanischen Modeindustrie aktiv war. Die Spezialität von Iron Heart war von Anfang an Heavy Denim, inspiriert von der japanischen und amerikanischen Biker-Kultur. Doch es waren nicht nur Biker, die sich der Iron Heart Army anschlossen. 

„Hamburg Lockdown Tales“

Dieser Beitrag im Human Posture Blog ist Teil einer Serie über die Erfahrungen, Haltung und den Umgang Hamburger Unternehmer mit der Corona-Krise 2020/2021 und den langfristigen Auswirkungen auf ihr Geschäft. 

Wir bekommen für die Berichterstattung und das Setzen der im Beitrag vorhandenen Links zu Webseiten, Produkten und Dienstleistungen keine Gegenleistung. 

Iron Heart International und die #ironheartarmy

Iron Heart war von Anfang an mehr als ein Brand. Die Vorliebe für Material und Verarbeitung bringt seit 2003 Menschen in einer Art und Weise zusammen, die man eher mit einem Club als mit einer Marke vergleichen kann. Unter dem Hashtag #ironheartarmy finden sich mittlerweile zehntausende von Posts auf Instagram. Verantwortlich dafür war nicht zuletzt auch die Initiative eines IT-Spezialisten und Denim Liebhabers namens Giles Padmore, der 2003 auf Iron Heart aufmerksam wurde und schließlich für Haraki-San den internationalen Vertrieb von Iron Heart außerhalb Japans übernahm. 

Giles gründete später den Online-Store ironheart.co.uk, der mit seiner aktiven Community bis heute ein wichtiger Anlaufpunkt ist. Die Iron Heart Community und der rege Austausch mit Japan sind es auch, was Iron Heart für mich jenseits von ‘Heavyweight Denim’ auf den Punkt bringt: East meets West. Eine mit einer gewissen Nostalgie der ‘guten alten Zeit’ verhaftete Vision von angelsächsischer Biker Kultur trifft auf japanische Design- und Schneiderkunst. 

East meets West – mehr als Mode

Das Resultat lässt sich mit dem Begriff „Mode“ nicht zureichend beschreiben. Manchen sind die Schnitte, die ihre Wurzeln zum Teil bis in die 1920er zurückverfolgen können, zu unaufgeregt. Doch gerade das ist es, wonach viele der Träger suchen: zeitlose Alltagskleidung in perfekter Schnitt- und Verarbeitungsqualität. Das Leitmotiv bei allen Kleidungsstücken von Iron Heart ist die Funktion. 

Was das bedeutet, merkt man vor allen Dingen bei der Neuinterpretation von Klassikern, wie z.B. meine M65 Field Jacket (IHM-27-OLV), die mich momentan fast täglich begleitet. Die generelle Nahtführung, Umsetzung der Taschen, Qualität der Reißverschlüsse, Säume der Knopflöcher und für das ungeübte Auge unsichtbare Details, wie die integrierte Kapuze und das Ventile-Cotton Innenfutter, verleihen mir fast eher das Gefühl, einen aufwendig gearbeiteten Kimono zu tragen, als eine ehemalige Armee Jacke.  Das muss keiner wissen – es reicht, wenn ich es weiß. 

Die Kleidung von Iron Heart ist mittlerweile schon seit einiger Zeit in Deutschland zu finden,  doch Iron Heart Hamburg stellt einen echten Meilenstein in der nunmehr schon fast 20-jährigen Geschichte von Iron Heart dar. Neben den offiziellen Stores in Hachioji, Kojima und Osaka ist der Hamburger Iron Heart Store der erste außerhalb von Japan. Gegründet wurde Iron Heart Hamburg im März 2020 von den Berlinern Giuliano Dorigo, Shane Brandenburg und einem dritten Partner. Während Giuliano ursprünglich aus der Gastronomie stammt, ist Shane als ehemaliger Mitgründer von „Burg & Schild“ und der Messe „Selvedge Run“ ein Veteran der Japanese Denim Branche. 

Der Lockdown und die besondere Herausforderung für Iron Heart Germany

Iron Heart Kleidung ist schwer, hart, eigen. Man muss sie anfassen, um sie zu begreifen. Ansonsten ist es so, als würde man jemandem versuchen zu erklären, wie ein Apfel schmeckt. Wie kann das funktionieren, wenn keine Leute in den Laden kommen können? Noch mitten im ersten Lockdown im März 2020 wurde Iron Heart Germany gegründet und alles für die geplante Eröffnung des Iron Heart Germany Stores vorbereitet. Die Eröffnung war ursprünglich für Anfang März 2020 geplant und fand dann schließlich im April in der Kaiser-Willhelm-Straße 45 in der Hamburger Altstadt statt. Die nachträgliche Eröffnungsparty war Ende September 2020. Ich treffe dort heute Giuliano Dorigo, der mich nach kurzem Klopfen in das wunderschöne Ladengeschäft bittet. Auf dem Tresen, über den normalerweise die Schwergewichte von Iron Heart, Dehen 1920, Wesco und gelegentlich auch Kaffee oder Bier gehen, stehen jetzt für den Versand vorbereitete Kartons. 

Interview mit Giuliano Dorigo von Iron Heart Germany

HUMAN POSTURE: Warum gibt es Iron Heart Germany noch?

Giuliano: Wir sind unter anderem noch da wegen des Onlineshops, aber vor allem, weil wir an das glauben, was wir tun und es lieben. Der war ursprünglich eigentlich als zweiter Schritt gedacht. Wir wollten erst den Laden in Hamburg in Ruhe aufbauen, mussten dann aber schnell umdenken. Durch den ersten Lockdown hatten wir nur knapp einen Monat verloren und konnten dann im April richtig anfangen. Wir konnten also verkaufen, aber es hatte ja alles zu, und es kamen dementsprechend viel weniger Leute. Man konnte einfach merken, dass Menschen in Situationen, in denen Dinge wie Konzert- oder Restaurantbesuche nicht möglich sind, weniger Geld für die Art von Kleidung ausgeben, wie wir sie verkaufen. In solchen Momenten, wenn du das verstehst, geht einem alles durch den Kopf. 

HUMAN POSTURE: Mit welcher Haltung begegnest Du den aktuellen Herausforderungen?

Giuliano: Gegenseitige Unterstützung ist wichtig. Ohne die geht es nicht. Und ich versuche – egal an welchem Tag – immer so zu tun, als ob alles in Ordnung wäre, also einfach normal weiterzumachen. Und Aufgaben sind immer da! Ich versuche ständig, uns zu verbessern. Ich lerne und profitiere in Bereichen, für die ich mir sonst wahrscheinlich nie Zeit genommen hätte. 

HUMAN POSTURE: Welche Rolle spielt dabei Vertrauen?

Giuliano: Ohne Vertrauen geht es nicht. Dann entsteht Angst. Ich vertraue den Menschen um mich herum, aber zunächst einmal mir selber. Die politische Situation hilft dabei nicht, und zu viele Informationen bringen einen eher durcheinander. Fest steht: Wenn alles vorbei ist, sind wir alle schlauer. 

HUMAN POSTURE: Hat der erneute Corona-Lockdown die zukünftige Ausrichtung von Iron Heart Germany verändert?

Giuliano: Der Onlineshop bleibt und wird weiter ausgebaut. Gleichzeitig vermissen wir den normalen Betrieb, die Leute, die extra nach Hamburg kommen, um uns im Laden zu besuchen, das gemeinsame Grillen, Bier, einen Kaffee. Iron Heart Germany ist für uns nicht nur Geschäft, sondern es geht auch um Zusammensein. Deswegen bleibt das Ladengeschäft für mich auch das Hauptgeschäft. Aus dem Grund halten wir auch an der Idee fest, so bald wie möglich unseren Laden in Berlin zu eröffnen. Wir brauchen das und die Stadt auch. Zusätzlich dazu möchte ich jemanden einstellen, der uns langfristig bei der Abwicklung des Versandgeschäfts unterstützt. 

HUMAN POSTURE: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für Euch, und wie beeinflusst sie Euer Geschäft?

Giuliano: Ich sehe unsere Branche kritisch. Es wird produziert, hin und her geschleppt. Uns ist Nachhaltigkeit wichtig. Das bedeutet Respekt in der Produktion sowie in der Materialauslese. Uns ist Qualität und Langlebigkeit von Kleidung wichtig, und dadurch ist die Kleidung, die wir verkaufen, nachhaltig. Es werden von jedem Artikel immer nur begrenzte Stückzahlen produziert, die in der Regel auch verkauft werden können. Die meisten unserer Kunden haben zum 2-3 Hosen in Rotation, aber eben nicht 20. Ich stelle mir gern vor, dass einige unserer Kleidungsstücke eventuell sogar vererbt werden. Eine schöne Vorstellung, finde ich. Auch bei Kürzungen oder Reparaturen bleibt alles in der Familie. Meine Frau betreibt ein Denim Atelier in Berlin und hat dort eine „Union Special 43200G“ aus den 1939er Jahren stehen, mit der sie alle Jeans mit der Original „Chain Stitch“ Naht kürzt. Nachhaltigkeit heißt für mich aber auch, dass man einfach mal auf einen Kaffee oder ein Bier vorbeikommen kann. Dafür muss man nichts kaufen. 

HUMAN POSTURE: Was sind die Menschen, Dinge, Einflüsse oder Routinen, die Dich im Moment am meisten unterstützen?

Giuliano: Früher habe ich 1-2 Stunden Sport pro Tag gemacht. Seit dem Lockdown mache ich das nicht mehr. Auch habe ich früher nie allein Alkohol zu Hause getrunken, aber neuerdings steht bei mir zum ersten Mal in meinem Leben eine Kiste Bier auf dem Balkon. Wir kümmern uns im Wechsel um unsere Tochter – da wir beide nicht „systemrelevant“ sind, kann sie nicht in die Kita. Ich gehe Laufen und Spazieren mit unserem Hund. In Berlin ist es zurzeit sehr leer auf den Straßen. Das erinnert mich an die frühen 90er und ist eigentlich schön, wenn nicht der geschäftliche Druck wäre. Eine Riesenhilfe war während dieser Zeit auch der Kontakt zu Giles und Iron Heart UK, mit denen wir uns regelmäßig austauschen und auch teilweise Kunden hin und her schicken.

HUMAN POSTURE: Gab es eine Erfahrung, die Dich, im Zusammenhang mit Deinem Geschäft, während des Lockdowns besonders bewegt hat?

Giuliano: Wir hatten während des Lockdowns keine Kunden mehr im Laden, alles verlagerte sich in Richtung Versand. Dafür lernten wir Kunden zum Teil von einer ganz anderen Seite kennen und erfuhren Dinge über sie, die wir sonst nie erfahren hätten. Eine Lieferung ging zum Beispiel nach Australien zu einem Kunden, der dort eine Känguru-Farm betreibt. Berührt hat mich auch der Versand eines Jonny Cash (IHSH-218 Johnny Cash Western Shirt) nach Folsom, dem Ort, an dem Jonny Cash am 13. Januar 1969 sein heute legendäres Konzert für die Häftlinge des Folsom State Prisons gab. Das Album Johnny Cash at Folsom Prison gilt ja als Meilenstein der Musikgeschichte. Aber auch die tagtäglichen Kontakte berühren mich sehr. Manche Kunden verabreden sich mittlerweile mit uns zu Video-Calls, in denen wir ihnen dann erklären, wie sie ihre Kleidung ausmessen können. Danach gehen wir mit ihnen durch den Laden und suchen dann gemeinsam das Passende. 

HUMAN POSTURE: Was kannst Du anderen Unternehmerinnen und Unternehmern mit auf den Weg geben, die sich gerade selbst neu erfinden müssen?

Giuliano: Unser Laden ist noch zu jung, um von den Corona-Hilfen zu profitieren. Daher hieß es schnell umdenken, nicht zögern oder hadern. Das würde ich auch anderen Unternehmen raten: schnell reagieren! Wenn man ehrlich zu sich selbst ist als Unternehmer, wird einem relativ schnell klar, dass es nicht viel gibt, was man tun kann. Denn wenn es Lösungen gibt, dann liegen sie auf der Hand. So war es bei uns mit dem Onlineshop, und Shane hat auch schon Sachen mit der Sporttasche über der Schulter bei Kunden persönlichen vorbeigebracht. Es gibt immer etwas, was man tun kann. Wir sind Unternehmer und haben wenigstens diese Möglichkeit, uns neu auszurichten oder zu erfinden. Ich denke momentan viel an die Angestellten und Studenten, die teilweise zwingend auf Jobs, wie in der Gastronomie, angewiesen sind und keine Alternative haben. Für die habe ich mehr Mitgefühl. 


Iron Heart Germany Ressourcen-Liste

Website & Onlineshop: https://ironheartgermany.com/

Instagram Account: @ironheartgermany

Interview mit Shane Brandenburg auf Denimhunters.com

0 Kommentare

Kai ist der Gründer von Human Posture und arbeitet als Coach, Trainer und Prozessbegleiter mit den Schwerpunkten Resilienz, Haltung und Medienkompetenz in Hamburg. Zusätzlich gibt er seit über 14 Jahren Kalaripayattu, kurz Kalari, in Klassen, Trainings und Workshops für Privatpersonen und Führungskräfte weiter. Human Posture ist für ihn die lebendige Synthese seines bisherigen Lebenswegs als ehemaliger Marketing- und PR-Director in Festanstellung einerseits, und freiberuflichem Kalari-Lehrer, Webdesigner, Zen-Practitioner und fünffachem Vater auf der anderen Seite.