INHALTSVERZEICHNIS
Die Yogamatte als Erkennungszeichen
Die eigene Yogamatte über der Schulter oder unter dem Arm ist längst zum unmissverständlichen Erkennungszeichen und unabdingbaren Accessoire für einen ganzen holistischen Lifestyle geworden. Glaubt man dem Tool für die Keyword-Recherche, das ich für meine Arbeit als Blogger nutze, wird der Begriff „Yogamatte“ monatlich zum Teil fast so häufig gesucht wie „Yoga“. Damit scheint die Yogamatte – zumindest für den Suchalgorithmus von Google – schon fast synonym mit der Yoga-Praxis an sich zu sein.
Stil, Ausführung, Aufbewahrung und Transport sind Teil des yogischen Images, das wir bewusst oder unbewusst projizieren. Bist Du eher Travelmat oder Komfort? Matten-Tasche oder Rucksack? Kofferraum oder Gepäckträger? Und natürlich bewegt die meisten Yogis regelmäßig die große Frage danach, welche Matte „die beste“ ist, damit das kommende Upgrade oder der anstehende Ersatz der alten Yogamatte entsprechend fundiert geplant werden kann.
Ökobilanz der Yogamatte
Nach wie vor werden viele Yogamatten aus PVC oder PVC mit PU-Anteil hergestellt, und sie bleiben damit Kunststoffmatten mit katastrophaler Ökobilanz und zum Teil auch kontrovers diskutierten Gesundheitsrisiken. Positive Ausnahmen bieten Matten, die anstelle von PVC auf Naturkautschuk setzen, wie z.B. die Matten von Manduka und Jade, sowie die erste wirkliche Closed-Loop-Matte, die aus recyceltem Kunststoff hergestellt werden und auch hinterher wieder komplett recycelt werden können (= Closed Loop).
Hat die Yogamatte eigentlich Tradition?
In einem Video aus dem Jahr 1938, in dem Krishnamarcharya und sein wohl berühmtester Schüler (und Verwandter!) BKS Iyengar bei der Praxis zu sehen sind, sieht man vor allen Dingen eins: Teppiche! In dem Fall für mich optisch nicht von dem zu unterscheiden, was man sich bei Gefallen ins Wohnzimmer legen würde. Auch von der Größe her.
Auch auf alten Bildern sind häufig entweder keine Matten zu sehen oder wir haben es mit dem guten alten Tiger- oder Hirschfell zu tun, das es damals garantiert nicht in der veganen Ausführung auf Amazon zu kaufen gab. Zur Ehrenrettung des Ahimsa-Gedankens möchte ich an dieser Stelle allerdings das mitteilen, was mir zu diesem Umstand in Südindien von Yoga- und Kalari-Lehrern gesagt wurde: Die von Yogis als Yogamatte verwendeten Tiger- und Reh-Felle stammen von Tieren, die eines natürlichen Todes gestorben sind.
Länge und Breite, die natürliche Isolation und die haltbare und relativ rutschfeste Oberfläche trugen zur Popularität dieser Felle bei. Zusätzlich zu den grob-stofflichen Materialeigenschaften sind Reh und Tiger unter anderem auch Schlüsselfiguren in der buddhistischen Tradition. Das Reh steht für eine neutrale Energie, die Ruhe und Frieden in die Praxis bringt und stark mit dem meditativen Aspekt der Praxis assoziiert wurde. Der Tiger wurde eher mit dem dynamischen Aspekt der Asana Praxis in Verbindung gebracht. Das Fell stellt eine Art Barriere zwischen dem spirituellen und physischen Energie-Körper und Erde dar. Wer sich auf einem Tigerfell erdet, soll in der Lage sein, sein Energielevel über lange Zeiträume des Übens auf hohem Niveau zu halten.
Die Yogamatte im traditionellen indischen Yoga von heute
Mein Verständnis von Sinn und Unsinn einer Yogamatte wurde maßgeblich durch meinen ersten längeren Indien-Aufenthalt bei meinem Kalari Lehrer, C.M. Sherif Gurukkal, in Kerala, Südindien, geprägt. Im Winter 2006 war es im Kalari meines Lehrers so voll, dass ich kurzerhand auf seine persönliche Empfehlung hin beschloss, mir eine traditionelle Yogaschule in Indien anzuschauen. Er empfahl mir damals die Bihar School of Yoga an der Grenze zu Nepal und Arsha Yoga Vidya Peetham im Nachbarstaat Tamil Nadu, wofür ich mich sicherlich auch aufgrund der Nähe zu Kerala dann entschied.
Bei Arsha Yoga Vidya Peetham wurde traditionell auf Steinboden trainiert, den man man einem dünnen Yogateppich aus Baumwolle abdeckte. Das war insbesondere bei Positionen in Rückenlage und Meditationshaltungen sehr gewöhnungsbedürftig. Aber ich merkte nach einigen Wochen, dass ich mich tatsächlich nicht nur daran gewöhnte sondern auch das sehr präzise Feedback des harten Bodens zu schätzen lernte. Da der Steinboden in der Halle der Gurukula sehr kühl war, blieb aber die Freude über den dünnen Yogateppich aus Baumwolle ungebrochen.
Benutzt man im Kalari eigentlich eine Yogamatte?
Wer Kalari kennt, weiß, dass es hier eine Menge Groundwork, also Bodenarbeit gibt. Zusätzlich dazu gibt es auch die Praxis der Kalari Yoga Vanakkam, des Sonnengrußes der Kalari Tradition. Bei vielen Übungen im Kalari bleiben die Füße nicht stationär, sondern rutschen über den Boden. Die Kalari-Sonnengrüße bilden dabei keine Ausnahme. In den sogenannten Animal Walks bewegen wir uns sogar mit dem ganzen Körper über Distanz, sodass eine rutschfeste Yogamatte kontraproduktiv wäre.
Auch wirkt die spezielle Rezeptur eines traditionellen Lehmbodens im Kalari reinigend und entgiftend, was man nicht durch ein Abschotten vom Boden durch eine Yogamatte verhindern möchte. Auch der im Kalari so wichtige Aspekt der gesamtkörperlichen Sinnesentwicklung würde durch die Verwendung einer Yogamatte eingeschränkt werden.
Kalari und die Vorteile der Arbeit ohne Yogamatte
Aber nicht nur beim Kalari hat das arbeiten ohne Matte Vorteile, die man nicht außer Acht lassen sollte. Füße und Hände bilden auf der Yogamatte Dein psychophysisches Fundament. Gerade in Bezug auf die Füße sind die Vorteile des Barfuß-Praktizierens und -Laufens vielen, zumindest vom Hörensagen, bereits bekannt. In Bezug auf unsere Hände verhält es sich ganz ähnlich.
Auch die Finger stumpfen durch ungedämpftes Arbeiten ohne Yogamatte nicht etwa ab, sondern genau das Gegenteil ist der Fall. Sie werden besser durchblutet, werden taktiler, feinfühliger. Besonders geübte Yogis und Akrobaten platzieren ihre Hände mit ganz aktiven Fingern bewusst auf dem Boden, auch wenn ihnen eine Matte zur Verfügung steht. Der Boden bietet deutlich mehr Feedback und Präzision, und das Arbeiten in dieser Form ist viel schonender für die Handgelenke.
Checkliste: Mutter Erde als Yogamatte
1. Überragende Ökobilanz
2. (Hand-) gelenkschonend und sinnesentwickelnd
3. Verbindung zu Erde
Aus Kalari-Sicht würde man sagen, dass wir uns über den direkten Kontakt mit dem Untergrund nicht nur sehr gut Verankern und Erden können, sondern auch die Entwicklung unserer Sinne fördern. Hände und Füße sind nicht ‚wie in Watte gepackt‘, sondern den realen Untergrunds- und Witterungsverhältnissen ausgesetzt und dadurch wach und aufmerksam. Wer schon einmal das Vergnügen hatte, in einem alten Kalari in Südindien Kalari oder Yoga zu üben, weiß genau, was das bedeutet und warum das so wichtig ist. Füße und Hände lernen, spontan auf den Untergrund zu reagieren, werden unempfindlicher gegenüber mechanischen Reizen und gleichzeitig viel rezeptiver und feiner: eine verkörperte Ode an Yoga-Sutra 2.46 von Patanjali स्थिरसुखमासनम् sthira-sukham āsanam – “Die Haltung ist stark aber entspannt.”
Fazit und Empfehlung
Ich empfehle Dir, Mutter Erde als Deine primäre Yogamatte zu nutzen. Gleichzeitig sollte dies aber nicht zum Dogma geraten. Wachsamkeit und gesunder Menschenverstand sollten insbesondere dann nicht auf der Strecke bleiben, wenn Du im öffentlichen Raum Unterwegs bist und berechtigte Zweifel an Art und Qualität des Untergrunds bestehen. Eine Yogamatte kann man säubern, desinfizieren und sogar notfalls auch von kleinen Fremdkörpern, wie Steinchen oder sogar Splittern, säubern. Das Eindringen dieser Fremdkörper in Füße oder Hände hätte eventuell eine Verletzung zur Folge, deren Inkaufnahme nichts mit Achtsamkeit oder Ahimsa zu tun hat.
Kombiniere Mutter Erde als primäre Yogamatte mit gesundem Menschenverstand. Benutze nur dann eine herkömmliche Yogamatte, wenn Du sie wirklich brauchst. So entwickelst Du Dich weiter. Achte beim Kauf auf die Ökobilanz, um Kauf und Benutzung Deiner Matte so gut wie möglich mit dem Gedanken an Nachhaltigkeit und dem yogischen Prinzip von Ahimsa zu vereinbaren.
Wenn Du allerdings selten bis nie in ein Setting gerätst, in denen der Untergrund eine Herausforderung für Deine Yoga-Praxis darstellen könnte, kannst Du auf die Yogamatte verzichten. Auch für Zuhause brauchst Du sie meiner Meinung nach nicht. Das Du daran gewöhnt bist und gern eine nutzen möchtest, steht auf einem anderen Blatt, bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass Du wirklich eine Yogamatte brauchst.
Wenn Du aufgrund von Setting und Lifestyle eine Yogamatte benötigst, kann ich Dir folgende Empfehlungen geben:
1. Manduka Eko SuperLite*
Ich selbst habe ‘für den Notfall’ immer noch eine alte Manduka Eko SuperLite* im Gepäck, die faltbar und mit einem Gewicht von lediglich 1,18 kg sehr mobil ist. Sicherlich der Klassiker unter den Yogamatten für reisende Kautschuk-Minimalisten und auch für Zuhause mehr als ausreichend.
2. Jade Voyager*
Als Alternative bzw. Upgrade zur Manduka Eko SuperListe würde ich die Jade Yoyager* nehmen. Sie ebenfalls aus Kautschuk und faltbar, aber mit ihren 0,68 kg ein wirklich spektakuläres Leichtgewicht. Dazu ist sie im Vergleich zur Manduka meistens günstiger zu haben. Mir persönlich reicht auch hier der Komfort völlig, aber das ist natürlich Geschmacksache bzw. ein weiterer Fall der Abwägung möchten vs. brauchen.
3. HejHej-Mat*
Wenn es trotz aller Gedankenspiele und Erwägungen purer Luxus gespart mit Nachhaltigkeit sein soll, rate ich ganz klar zur HejHej-Mat*. Aufgrund der Tatsache, dass die Matte im Closed-loop-Prinzip aus Abfallprodukten der Schaumstoffindustrie hergestellt wird, werden so gut wie keine neuen Materialien genutzt. Daher ist die Ökobilanz trotz des deutlich höheren Gewichts von 1,5 kg besser als bei bereits vorgestellten Reise-Yogamatten von Manduka und Jade. Soviel Komfort und Nachhaltigkeit Made in Germany haben aber ihren Preis.
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Lieber Kai, danke für Deine Inspiration, vor der nächsten Yogapraxis die Matte einfach mal zur Seite zu legen und in die direkte Körperverbindung mit der Erde bzw. dem Boden zu gehen und zu spüren. Ansonsten ist bei mir auch die von Dir empfohlene Manduka Eko SuperLite im Einsatz ?
Liebe Stefanie, danke für Deinen Kommentar! Ja, die Kombination machts. Ich möchte meine Matte manchmal auch nicht missen und die Manduka ist nach wie vor wirklich eine gute Wahl. ??